WAS MACHT EINEN STIFTSWEIN SO BESONDERS?

INTERVIEW MIT WOLFGANG HAMM, DEM LEITER DES WEINGUTS STIFT KLOSTERNEUBURG

Zum bevorstehenden Weingutsfest am Stift Klosterneuburg am 10. und 11. September 2022, das heuer in Kooperation mit Wine Affairs durchgeführt wird, haben wir Wolfgang Hamm, Geschäftsführer des Weingutes, getroffen und durften einiges an spannenden Geschichten rund um das klösterliche Weingut, dessen Weingärten und Weinkeller, sowie auch die Weine, die das Weingut Stift Klosterneuburg seit Ewigkeiten produziert, erfahren. 

Wine Affairs: Herr Hammsie leiten das älteste Weingut Österreichs, das sich auf der ganzen Welt einen Namen durch zahlreiche Auszeichnungen, aber vor allen auch durch seine Geschichte gemacht hat. Wie sind sie dazu gekommen und seit wann sind sie an der Spitze des Weingut-Teams:

Wolfgang Hamm: Wein gehört seit meiner frühesten Kindheit zu meinem Leben dazu, nachdem ich im Weinviertel aufgewachsen bin und ich quasi familiär „vorbelastet“ bin, habe ich bereits in meiner Jugend damit begonnen, mich intensiver für das Thema Wein zu interessieren.

Vor 15 Jahren hat mich die Liebe zum Wein dann schlussendlich zum Weingut Stift Klosterneuburg geführt, welches ich nun bereits 15 Jahre leite.

Wine Affairs: Worauf sind Sie denn besonders stolz, speziell im Rahmen der Tätigkeit bei einem der größten Weingüter des Landes und dem ältesten Österreichs?

Wolfgang Hamm: Am meisten erfüllt es mich mit Stolz, dass unsere Weine in vielen Ländern dieser Erde Freude bereiten. Die Möglichkeit, aus wirklich einzigartigen Lagen jeweils das Beste herauszuholen und damit Menschen in Österreich und der ganzen Welt schöne, genussvolle Momente zu schenken.

Wine Affairs: Der Begriff Stifts-, oder Stiftungswein ist ja nicht jedem/jeder geläufig. Worin liegt denn die Besonderheit an diesen Weinen?

Wolfgang Hamm: Alles was in einem Kloster passiert, passiert mit einem sehr weiten Horizont mit dem klaren Bewusstsein, dass die Weingärten und die Ressourcen, die man zur Verfügung hat, in einer Art und Weise behandeln muss dass sie auch noch in 900 weiteren Jahren in der gleichen Qualität nutzbar sind und die Basis, also das Fundament für die Existenz des Weinguts darstellen.

Viele unserer Weingärten bewirtschaften wir durchgehend seit mehr als 900 Jahren.

Und die Tatsache, dass es sich bei diesen Weingärten auch heute noch um wahrhaftig exzellente Weingartenanlagen handelt, ist wahrscheinlich der beste Beweis dafür, dass wir schon immer so gearbeitet haben – was man heutzutage als „nachhaltig“ und „klimaneutral“ bezeichnen würde.

Und dieser Zugang zur Pflege unserer Weingärten setzt sich als Ziel, das, was in diesen Böden steckt zum Ausdruck zu bringen, auch in der besonderen Atmosphäre unserer Keller, dem Wein die Ruhe und die Zeit zu lassen, um sich entfalten zu können – das schmeckt man am Ende des Tages.

Wine Affairs: Mit Blick auf die hiesige Konsum- und Genusslandschaft ist Wein ist ja seit Jahren das Trendgetränk schlechthin, gerade bei jüngeren Menschen ist das Thema inzwischen breit gefächert angekommen.

Wir haben uns mit Wine Affairs auch zur Hauptaufgabe gemacht, Menschen, egal welchen Alters den hautnahen Kontakt zum Winzer/zur Winzerin zu ermöglichen und somit ein besseres Bewusstsein für die Hintergründe der Weinproduktion und der dazugehörigen, persönlichen Geschichte der jeweiligen Winzer zu schaffen, und auf diesem Wege einige Hürden abzubauen.

Welche Strategie nutzen sie denn, beziehungsweise wie ist ihre Vorgehensweise, Weinliebhaberinnen und Weinliebhabern ihre Weine näher zu bringen? Wie praktizieren sie das im Moment?

Wolfgang Hamm: Jetzt, wo die Situation nach der stark einschränkenden Corona-Situation es uns wieder ermöglicht, sehe ich den Besuch des Weingutes als die beste Gelegenheit, unsere Weine kennenzulernen. Und das Besondere an unserem Weingut ist eben, dass die Weine in einem einzigartigen Umfeld entstehen, nämlich in historischen Kellergewölben, die sich direkt fünf Etagen in die Tiefe unterhalb des Stifts erstrecken und in dieser ganz besonderen Atmosphäre entstehen.

Diese Keller kann man eben auch jederzeit besichtigen, jeden Tag wird eine Kellerführung angeboten. Wenn man es nicht zu den fixen Besichtigungszeiten schafft, kann man einfach so vorbeikommen und die Weine in der Vinothek zu verkosten. Diese Möglichkeit das Weingut zu besuchen und dabei mehr über die Entstehung, sowie auch die Geschichte des Weinguts Stift Klosterneuburg zu erfahren, ist sicher die spannendste Art unsere Weine kennenzulernen.“

Wine Affairs: Der hautnahe Kontakt ist einer der wichtigsten Punkte bei der Vergrößerung einer interessierten Fangemeinde. In den letzten zwei Jahren ist uns ja einiges verwehrt geblieben und es besteht ein hoher Nachholbedarf, was Veranstaltungen und Zusammenkünfte aller Art rund um das Thema Wein betrifft. Können Sie mir erzählen, welche Weinveranstaltungen Sie in den kommenden Wochen noch am und mit dem Weingut geplant haben?

Wolfgang Hamm: Es gibt eine Fülle an Veranstaltungen, denen wir in der kommenden Zeit beiwohnen, beziehungsweise die wir selbst ausrichten.

Nebst den bekannteren Weinmessen im In- und Ausland sind wir zum Beispiel beim Wiener Weinwandertag, auf dem wir unsere Weine direkt in den Weingärten präsentieren, Anfang Oktober beim Klosterneuburger Weinhügel-Wandertag, der sehr idyllische Spaziergänge durch die Klosternenburger Weinrieden ermöglicht, und wo man auch direkt in den Weingärten die Weine verkosten kann. In Klosterneuburg selbst findet über das Wochenende des 15. November das Leopoldifest mit der Leopoldi-Weinkost statt. Dies sind nur ein paar wenige der Events, Genaueres ist unseren Eventskalendern zu entnehmen.

In der Adventszeit bietet unser wunderschöner Adventmarkt direkt bei uns am Stift die Gelegenheit, unsere Weine zu verkosten. Eine Vielzahl an Veranstaltungen im Ausland runden unser Programm ab.

Wine Affairs: Am kommenden Wochenende werden auch zahlreiche Weine von Stiftungsweingütern aus dem Ausland bei Ihnen präsentiert. Wie funktioniert denn hier die Zusammenarbeit mit diesen Weingütern. Haben Sie da eine Art gemeinsamen, europaweiten Auftritt, eine Kooperation, bzw. gar gemeinsame Marketingaktivitäten,  oder handelt jedes Weingut vollständig autark?

Wolfgang Hamm: Also wir haben ein sehr enges, freundschaftliches Verhältnis zu den Klosterweingütern in Österreich, wobei jedes Weingut eigenständig auftritt. Es darüber hinaus aber eine größere Vereinigung der Europäischen Stiftungsweingüter, wobei es sich hier nicht nur um Stifte und Klöster, sondern auch um weitere Einrichtungen und Stiftungen mit einem sozialen Auftrag handelt. Hier gibt es eben auch eine gemeinsame Plattform, über die verschiedene Verkostungen und Präsentationen in mehreren Ländern Europas stattfinden.“

Wine Affairs: Kommen wir nun zum bevorstehenden Wochenende. Es gibt ja eine Fülle an edlen Weinen aus der hauseigenen Produktion des Stifts Klosterneuburg. Sie haben auch einen hauseigenen Wermut. Wie sind sie darauf gekommen, wie kommt der an, wo wird der bereits konsumiert und bekanntgemacht, geht der aktiv in den Handel, ist er in der Gastronomie präsent?

Wolfgang Hamm: Also Wermut hat ja insgesamt eine ganz lange Tradition in A und wir haben schon seit vielen Jahrzenten unseren Wermut, der nach einen alten Klosterrezept erzeugt wird. Das besondere ist eben, dass es sich hier um einen Wermut aus eigenem Top Grundwein, der mit einer großen Menge an natürlichen Kräutern versetzt wird und einen besonders intensiven Geschmack aufweist.

In den letzten Jahren war Wermut eher ein Geheimtipp und unser Wermut kam hier eher in der Topgastronomie zum Einsatz.  Wermut ist aber in letzter Zeit aus seinem „Dornröschenschlaf“ erwacht, man ist daraufgekommen, dass man zahlreiche Cocktails und Longdrinks mit Wermut kreieren kann und dieses Genusserlebnis wollen wir unseren Gästen am kommenden Wochenende beim Weingutsfest nicht vorenthalten.

Wine Affairs: Ein weiterer Schwerpunkt in ihrem Hause liegt bei der Obstproduktion. Welche Obstsorten haben Sie denn im Sortiment und was genau erzeugen Sie hier?

Wolfgang Hamm: Wir haben auf der gegenüberliegenden Donauseite von Klosterneuburg unsere Obstgärten, in denen wir seit vielen Jahren hochwertige, sortenreine, naturtrübe Fruchtsäfte produzieren. Wir bieten hier eine große Vielfalt an Säften an. Allein 7 verschiedene sortenreine naturtrübe Apfelsäfte aus 7 verschiedenen Apfelsorten, reinsortige Traubensäfte, unter anderem roten Traubensaft vom St. Laurent und auch weißen Saft aus Grünem Veltliner, bis hin zu Nektar aus Marille, Weingartenpfirsich, Erdbeere und Johannisbeere, sowie Mischsäfte, die ein einzigartiges Geschmackserlebnis bieten. Wir freuen uns sehr, dass unser Apfelsaft heuer von Gault Millau zum besten Österreichs ausgezeichnet wurde. Am kommenden Wochenende kommen unsere Gäste, im Rahmen der allgemeinen Verkostung, natürlich auch in den Genuss der Säfte.

Wine Affairs: Können Sie mir etwas zur Geschichte Ihres Presshauses und zu dessen dreihundertjährigem Bestehen erzählen? Das Jubiläum ist ja das Hauptmotto des diesjährigen Weingutsfestes am kommenden Wochenende. Wo finden ihre Veranstaltungen bei Schlechtwetter statt?

Wolfgang Hamm: Die ehemalige Chorfrauenkirche wurde vor 300 Jahren in ein Presshaus umgewandelt. Wir sind damit sicher das einzige Weingut, dessen Weine in einer Kirche entstehen. Dies ist ein weiterer Teil der Besonderheiten und der Geschichte des Weingutes. Das Presshaus ist natürlich auch am kommenden Wochenende jederzeit zu besichtigen.

Der Binderstadel, unsere Schlechtwetter-Location, ist die ehemalige Fassbinderei des Klosters. Das Kloster verfügte bis vor mehreren Jahrzehnten über eine eigene Fassbinderei, in der eigene Fässer hergestellt haben. In diesem Gebäude befindet sich auch das bekannte, fünf Meter hohe „Tausend-Eimer-Fass“, über das während dem alljährigen, traditionellen „Fasslrutschen“ zu Leopoldi gerutscht wird.

Wine Affairs: Kommen wir noch zu etwas persönlichem: Wie sieht den ihr Arbeitsalltag aus, wie gestalten, meistern und organisieren sie ihre zahlreichen täglichen Aufgaben?

Wolfgang Hamm: Das Schöne ist, dass kein Tag dem anderen gleicht. Meine Tätigkeiten sind extrem vielfältig, angefangen von der Sorge um unsere Weingärten, bis hin zum gemeinsamen Verkosten der Weine mit dem Kellermeister, viel mit Kunden, Weinjournalisten in Kontakt zu sein, bzw. unsere Weine im In- und Ausland zu präsentieren und daneben Feste zu organisieren, Etiketten zu gestalten, und natürlich auch ein Haufen administratives zu erledigen.

Wine Affairs: Was bringt sie denn zum Lachen, gab es mal eine richtig lustige Story, die sie, bzw. das ganze Team des Weinguts erheitert hat, und dies vielleicht noch immer tut?

Wolfgang Hamm: Naja, lustige Geschichten gibt es hier jeden Tag. Allerdings fällt mir da eine Sache ein, die mir gleich zu Beginn, am ersten Tag meiner Tätigkeit beim Weingut, passiert ist.

Der erste Tag vor 15 Jahren, da weiss ich noch ganz genau, wie der damalige Kellermeister mir alles im Detail gezeigt hat, insbesondere die Gegebenheiten in den riesigen Kelleranlagen und mich dann nach eineinhalb Stunden wieder hinausgebracht hat. Ich habe mir in diesem Moment gedacht, dass ich mich da nie im Leben zurechtfinden werde. Ich bin dann gleich im Anschluss auf eigene Faust nochmals losgezogen und wollte denselben Weg in den Kelleranlagen, den der Kellermeister mit mir gegangen ist, nochmals beschreiten.

Ich habe mich heillos verlaufen und bin irgendwo im Kloster in einem Gang gelandet. Zwei Herren, die meinen Weg kreuzten, haben mich interessiert angeschaut. Ich habe nur freundlich gegrüßt und so getan, als fände ich mich vollständig zurecht. Ich bin dann aus dem Gebäude hinausgegangen und am komplett anderen Ende des Weinguts gelandet, um dann einmal komplett um das Stift zu irren. Als ich dann in Folge dem Propst des Stifts als neuer Weingutsleiter vorgestellt wurde musste der nur schmunzeln und meinte „Wir kennen einander schon, sie haben sich doch vor zwei Tagen verlaufen, richtig?“

Wine Affairs: Wir kommen nun zum Abschluss des Gesprächs: Was wäre denn Ihre Message an junge Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber, die sie allen interessierten auf den Weg geben möchten?

Wolfgang Hamm: Ich kann nur dazu raten, soviel wie möglich an unterschiedlichen Weinen zu verkosten, es gibt unendlich viele Nuancen und Geschmäcker zu entdecken. Weiters empfehle ich, nicht irgendwelchen Moden und Trends blind zu folgen, beziehungsweise sich einreden zu lassen, was jetzt gerade gut und modern ist, sondern sich vom eigenen Geschmacksempfinden leiten zu lassen. Es gibt allein in Österreich so unendlich viele großartige Weine, die es zu entdecken gilt.

Herr Hamm, vielen Dank!